Eine Konferenz als Fernsehsendung
07.05.2013
Fachtagungen zur „Unterhaltungsproduktion als Beruf“
Am 29. und 30. April widmeten sich zwei internationale Veranstaltungen an der FH St. Pölten den Berufsbildern in der Unterhaltungsindustrie: die 5. c-tv-Konferenz „Arbeiten für das Fernsehen 2013“ und der Workshop „Unterhaltungsproduktion als Beruf“. Diskutiert wurde unter anderem über prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Karriereverläufe, fehlendes Sendungsbewusstsein, die Zukunft der Prime Time und darüber, ob das Fernsehen tot ist.
St. Pölten, 07.05.2013 – „Heißt es bald Bye bye 20:15 Uhr? Was passiert mit der Prime Time?“ Mit diesen Fragen startete Konferenzleiterin und FH-Dozentin Rosa von Suess die diesjährige c-tv-Konferenz mit ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis; live übertragen auf Okto aus dem großen Festsaal der FH St. Pölten – eine Konferenz im Fernsehformat.
Oliver Fuchs, Unterhaltungschef des ZDF, sieht eine Fragmentierung der Sender und der ZuseherInnen: Es gibt immer mehr Sender und Menschen konsumieren Inhalte heute anders als noch vor einigen Jahren. Fernsehsender müssten Nischen finden. Peter Mooslechner, Executive Producer von Terra Mater bei ServusTV, sieht das Fernsehen nicht so stark in der Krise, wie von vielen ExpertInnen angenommen. Große Sender könnten zwar Anteile verlieren, aber Spartenkanäle könnten stabil bleiben. Doch das Verteilen der großen Tortenstücke sei vorbei. Jetzt gehe es massiv um die Krümmel. Fernsehen nach dem Gieskannenprinzip würde nicht mehr funktionieren. Im englischen Sprachraum spreche man daher auch bereits von „Narrow-Castern“ statt Broadcastern. Edgar Böhm, Unterhaltungschef des ORF, findet, dass sich Fernsehen wieder auf die ureigene Kompetenz konzentrieren solle: das Erzählen von Geschichten.
Scharfe Worte fand der deutsche Formatentwickler und Produzent Stephan J. Bauer: Mit der zugespitzten Aussage „Das Fernsehen ist tot“ verwies Bauer auf 20 Jahre Internet und die Tatsache, dass immer mehr Menschen – junge und alte – während des Fernsehens Computer und Tablets benutzen. Kritik übte Bauer an Finanzierung und Arbeitsbedingungen: In Deutschland würden nur 18 Prozent der Fernsehgebühren in den Inhalt des Programms investiert. Jene Menschen, die den Inhalt produzieren, könnten immer schlechter davon leben. Für Randsportarten würden Sender mehr Geld ausgeben als für Politikberichterstattung. Kein gutes Haar lässt Bauer auch an so manchen ManagerInnen der Branche: Ihnen sei oft egal, ob sie Medikamente oder Programm verkaufen. „Da gibt es kein Sendungsbewusstsein“, attestiert Bauer.
Prekariat, Kreativität und Kommerz
Das Thema Präkariat, Einkommen, Karriere und Beschäftigungsverhältnisse zog sich nicht nur durch die c-tv-Konferenz sondern auch durch den Workshop „Unterhaltungsproduktion als Beruf“, der einen Tag vor der c-tv-Konferenz stattfand.
Sarah Baker, Medienwissenschafterin an der Griffith University in Australien, berichtete über die Ergebnisse ihrer Studie „Creative Labour“ zu den Beschäftigungsverhältnissen in der Filmindustrie. Ein großer Teil der MitarbeiterInnen lebt demnach in prekären Verhältnissen, viele Jahre würden vergehen, bis die Kreativen der Branchen finanzielle Sicherheit hätten. Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung lägen in der Branche eng beisammen.
Baker schmückt ihre Studienergebnisse mit persönlichen Geschichten. Ein Kameramann habe ihr erzählt, er arbeite zwar wie ein Angestellter – nur, dass er nicht angestellt sei. Die Einkommensunterschiede zwischen Angestellten und Nicht-Angestellten sowie zwischen verschiedenen Mitwirkenden einer Produktion seien enorm. Unternehmen könnten aus einer großen Gruppe an InteressentInnen die billigsten auswählen. Laut Baker gibt es aber auch Ausnahmen: „Nicht alle Firmen verhalten sich wie Vampire.“
David Hesmondhalgh, Vorstand des Instituts für Kommunikationswissenschaften der Universität Leeds sprach beim Workshop zum Thema „Kreativität und Kommerz in der Unterhaltungsindustrie“. Der Konflikt zwischen beiden könne Menschen und Institutionen mitunter zerreißen.
Auch Hesmondhalgh stellte gute und schlechte Arbeitsmodelle gegenüber: Kurzfristige Stellen und prekäre Verhältnisse in einer Atmosphäre des gegenseitigen Misstrauens und Blockierens versus sichere Arbeitsplätze bei einer ausgewogenen Work-Live-Balance und gegenseitigem Fördern. Laut Hesmondhalgh sollten die guten Eigenschaften der Arbeit in der Gesellschaft gefördert werden.
„Die Tagung zeigte, wie sehr öffentliche Wahrnehmung und Realität in der Unterhaltungsproduktion auseinanderfallen. Gleichzeitig wurde aber deutlich, dass Kreative wie Manager in dieser Industrie ein großes Geschick entwickeln, die unterschiedlichen technischen, ästhetischen und ökonomischen Anforderungen in ihrer alltäglichen Arbeit auszubalancieren“, sagt Andreas Gebesmair, der Leiter Institut für Medienwirtschaft an der FH St.Pölten und Organisator des Workshops.