Beiträge dieser Konferenz

Jan Krone: Marktsystem Sendeplatz

Von Formaten und Quoten

Gelten Medienangebote einerseits als Kulturgüter mit den zugeschriebenen Werten wie beispielsweise „Soziale Institution“ oder „Wissen, Wahrheit, Vernunft“ sind sie ebenso Wirtschaftsgüter. Privat-kommerzielle Medienangebote dienen somit auch Einzelinteressen und orientieren sich an den Erfolgsmaßstäben wie Reichweite, Konkurrenz oder Karriere. Zur Erfüllung dieser praktisch-pragmatischen Ziele bündeln die Veranstalter solche Fernsehformate mit dem Ziel, möglichst attraktiv für eine breite Masse an Zuschauern einerseits und daraus folgend ebenso attraktiv für die werbungtreibende Wirtschaft zu sein. Die richtige, reichweitenstarke Auswahl eines Formats zu treffen, unterliegt jedoch nicht nur der erwarteten Reichweite in den Fernsehhaushalten, sondern auch in der Frage, ob Eigenproduktionen in Auftrag gegeben werden oder ob bereits im Markt bewährte Formate aus anderen Ländern eingekauft werden. Diese Entscheidung führt zu den bestimmenden Wettbewerbskräften im Markt privat-kommerzieller Fernsehvollprogramme: Einerseits den Werbungtreibenden und andererseits dem Rechtehandel. Vor dem Hintergrund eines nur sehr engen Zeitfensters der ökonomischen Auswertungsoption auf dem Bildschirm (Primetime zwischen 18 und 22.45h) müssen intervenierende Variablen so gering wie möglich gehalten werden, zumal Fehlentscheidungen in der Formatwahl einen unmittelbaren Effekt auf die Bilanz eines Programmveranstalters haben. Aufgrund des Fehlens „harter Absatzzahlen“ (das Fernsehpublikum ist durch die Marktakteure konstruiert), sind innovative oder anspruchsvolle Formate in diesem Kontext die absolute Ausnahme. Es gilt den Massengeschmack zu bedienen und Akzentuierungen im Rahmen zu halten. Formate müssen für privat-kommerzielle Fernsehsender spezifische Kosten-Nutzen-Relationen erfüllen, im Idealfall sollte eine Zweit- oder Drittverwertung möglich sein und Formate als Werbeumfeld gelten. Diese medienökonomischen Gesetzmäßigkeiten gelten für den Teilmarkt privat-kommerzieller Fernsehvollprogramme uneingeschränkt und ergeben für die Fernsehkritik häufig das Urteil „schlechtes Programm“. Die Wahlfreiheit der Mediennutzer relativiert die Kritik und erklärt gleichermaßen die positive Wirkung des Nebeneinanders von öffentlich-rechtlichen Programmen (Schwerpunkt „Kulturgut“) und privat-kommerziellen (Schwerpunkt „Wirtschaftsgut“) in den dualen Rundfunksystemen Europas.

Vita
Dr. Jan Krone studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Jura, Neuere Deutsche Literatur sowie Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Er arbeitet vorwiegend zu Mediennutzung und Massenmedien (Zeitungen, Fernsehen), ist Leiter des Moduls Medien im Department Wirtschaft & Medien an der Fachhochschule St. Pölten GmbH, Österreich. Neben freier Beratertätigkeit für die INNOVATION International Media Consulting Group nimmt er zurzeit die Sprecherfunktion für die Fachgruppe Medienökonomie in der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft wahr und ist Beirat für die Fachgruppe der Zeitschrift "Medien & Kommunikationswissenschaft".
Datum
05.05.2009