The film set as cinema: Digital Live Projections in the Feature Film Production

Making of "Die Nacht der 1000 Stunden“: Die Geschichte einer Familie, die von all ihren verstorbenen Vorfahren heimgesucht wird, spielt zur Gänze in einem Wiener Palais im Ringstraßen-Stil. Das Palais ist jedoch kein realer Ort, sondern die Erinnerung seiner heutigen und ehemaligen Bewohner an ihr Haus zu verschiedenen Zeiten. Folglich soll das Gebäude keine genaue Orientierung zulassen und sich in seinen Geh- und Blickrichtungen an keine objektive Bauordnung halten. Da sich das Palais im Lauf des Films stark verändert und am Ende zerstört wird, wurde auf Originalschauplätze oder komplette Studionachbauten verzichtet und der ganze Film stattdessen auf einer 6 mal 6 Meter großen Studiobühne mit Rückprojektionen realisiert. Die Wände, die Räume, die Möbel im Hintergrund, die Ausblicke durch die Fenster nach draußen, wurden vorab nach Vorlagen digital erstellt und am Set als Rückprojektionen auf zwei Leinwänden abgespielt; gleichzeitig wurden die beweglichen Requisiten im Vordergrund, Türen, Möbel, Betten etc. real im Studio platziert und so beleuchtet, dass digitale und reale Lichtquellen nicht mehr voneinander zu trennen waren: So beleuchtete der digitale Mondschein durch projizierte Fenster echte Gesichter oder warfen reale Objekte (z.B. Kerzen) ihren Schein oder ihre Schatten auf virtuelle Tapetenwände zurück. Die Perspektive der virtuellen Hintergründe wurde Einstellung für Einstellung der jeweiligen Kameraperspektive angepasst. Erst durch die Montage ergibt sich der glaubwürdige Eindruck eines realen dreidimensionalen Raumes in den Köpfen der Zuschauer – und somit auch in der Realität die Erinnerung an ein Haus, dass es so niemals gegeben hat. Durch die Previsualisierung des Hauses als 3D-Modell mit der real-time-machinima engine „Moviestorm“ und die Projektion interaktiv veränderbarer Inhalte am Set, stellt „Die Nacht der 1000 Stunden“ eine neuartige Verbindung von virtual reality und linearem Kinofilm dar. Enorme technische und künstlerische Herausforderungen gab es für die punktuelle Beleuchtung des Sets mit Hilfe von Reflektoren, bei der das von Christian Berger (Kamera) entwickelte CRLS – Cine Reflect Lighting System zum Einsatz kam. Die besondere Umsetzung, welche die beim Film gewohnte Produktionsreihenfolge verändert und die Professionen von Drehbuch, Story Board, Previsualisierung, Ausstattung, Kostüm, Maske, Beleuchtung, Kamera, digitalem Design und Lichtbestimmung frühzeitig miteinander verschmelzen lässt, erfordert bereits ab der frühen Phase der Drehvorbereitung gemeinsame künstlerische Auseinandersetzung und intensives Teamwork, ermöglicht aber durch neue Arbeitsprozesse auch neue, bisher noch nicht gesehene, künstlerische Ergebnisse.

Vita
Virgil Widrich ist als Regisseur, Drehbuchautor, Filmemacher und Multimedia-Künstler tätig. Im frühen Alter von 13 Jahren drehte er seine ersten Filme und im Alter von 14 Jahren begann er mit der Arbeit an seinem eignen Zeichentrickfilm „Auch Farbe kann träumen“. 2001 gründete Widrich mit 3 anderen die „checkpointmedia AG“, die als Schnittstelle zwischen Kunst/Kultur und Wirtschaft agiert. Auch an der Gründung der „Filmproduktionsgesellschaft Amour Fou“ war er beteiligt. Sein Film „Copy Shop“ gewann 35 Preise und wurde für den Oscar nominiert. Seit 2010 leitet er den Masterlehrgang „Arts & Science“ an der Angewandten in Wien. Virgil Widrich drehte unter anderem den Film „Die Nacht der 1000 Stunden“, der 2016 erschien und bei dem mit der fabelhaften Technik der Rückprojektionen gearbeitet wurde.
Datum
11.05.2017